INNEN ENTWICKELN!

Chancen für mehr bezahlbaren Wohnraum

EINFÜHRUNG

Die zwölf ausgewählten Projekte dieser Broschüre zeigen in den vier Kategorien Ersatzbau, Lückenschluss, Anbau und Aufstockung gelungene Beispiele für eine nachhaltige Innenentwicklung.

Im „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen Rheinland-Pfalz“ entstand die Idee, gebaute Beispiele der erfolgreichen Innenentwicklung in einer Broschüre zu präsentieren. Diese sollen als Anregung für weitere Vorhaben dienen. Die Projekte wurden vom IfS Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik in Berlin recherchiert und aufbereitet. Die Projektauswahl erfolgte auf Anregung der Bündnisarbeitsgruppe „Günstiger, wirtschaftlicher und schneller Bauen“.

Besonderen Wert wurde daraufgelegt, auch Beispiele aus kleineren Städten und dem ländlichen Raum zu berücksichtigen. Projekte außerhalb von Rheinland-Pfalz wurden einbezogen, um das Spektrum der Innenentwicklungstypen zu erweitern. Die Auswahl zeigt, dass neben
bekannten „Leuchtturm-Projekten“ eine Reihe von Innenentwicklungsstrategien bereits
in einer breiteren kommunalen Praxis angekommen ist.

INITIATIVE ERGRIFFEN –
GENOSSENSCHAFTLICH WOHNEN

  • Ort: Ortsgemeinde Gillenfeld
  • Bauherrin: Genossenschaft am Pulvermaar – Eine sorgende Gemeinschaft eG, Gillenfeld
  • Planung: AV1 Architekten GmbH, Kaiserslautern
  • Wohneinheiten: 12
  • Fertigstellungsjahr: 2019
  • Baukosten netto (300 + 400): 1.639 Euro/m²
  • Mietpreis netto kalt: 5,10 Euro/m²
  • Maßnahme: Barrierefreier Ersatzneubau im Ortskern

Projektentstehung/städtebauliche Einbindung
Die Gemeinde Gillenfeld ist Teil der Verbandsgemeinde Daun im Landkreis Vulkaneifel in Rheinland-Pfalz und rund 74 km südwestlich von Koblenz gelegen. Die beiden neuen Wohngebäude des „Florinshofs“ wurden in unmittelbarer Nähe des Ortskerns angrenzend an ein altes Natursteingebäude, das einst Backhäuschen und somit auch Begegnungsstätte war, errichtet. Die Neubauten liegen direkt an einer zentralen Straße des Ortes unweit des Alfbachs und grenzen im rückwärtigen Bereich an den Festplatz und eine Minigolfanlage. Das Projekt ist Teil einer übergeordneten Strategie zur Innenentwicklung, die von der Gemeinde Gillenfeld seit mehreren Jahren verfolgt wird. Wichtiger Akteur ist hierbei die AG Innenentwicklung, die im Rahmen einer LEADER-Förderung entstanden ist und sich unter anderem aus Mitgliedern des Gemeinderats zusammensetzt. Aus dieser Initiative heraus wurde im Jahr 2014 die Genossenschaft am Pulvermaar gegründet, die das Neubauvorhaben „Florinshof“ umgesetzt hat.

Unter dem Leitbild einer sorgenden Gemeinschaft zielt die Genossenschaft darauf ab, einer älteren Bevölkerung durch neue Wohnformen und Unterstützungsangebote möglichst lange das Wohnen in der gewohnten Umgebung zu ermöglichen. Das Interesse an barrierefreiem Wohnen wurde in der Gemeinde abgefragt und das Ergebnis als positives Signal für das Bauvorhaben bewertet. Mit dem Baugrundstück nahm die Gemeinde zusammen mit der Genossenschaft im Jahr 2014 am Wettbewerb „Mehr Mitte bitte!“ teil, der von der Landesregierung Rheinland-Pfalz, unter der Federführung des Finanzministeriums, gemeinsam mit dem Städte- und Gemeindebund Rheinland Pfalz in Kooperation mit der rheinland-pfälzischen Architektenkammer ausgelobt wurde. Ziel des Wettbewerbs war es, Wohnen und Lebensräume innerörtlich zu erhalten bzw. herzustellen. Es sollten attraktive Ortsbilder entstehen, die zu einem guten Wohnen in Orts- und Stadtkernen beitragen. Der Siegerentwurf des durchgeführten Realisierungswettbewerbs wurde anschließend umgesetzt. Die Öffentlichkeit wurde in mehreren Bürgerversammlungen und an Tagen der offenen Tür über den Projektfortschritt informiert. Der Erstbezug erfolgte im Jahr 2019

Planungsrechtliche Situation
Das Baugrundstück befindet sich nicht im Geltungsbereich eines rechtskräftigen Bebauungsplanes. Das Vorhaben wurde auf der Grundlage des § 34 BauGB (Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile) beurteilt und genehmigt.

Projektbeschreibung
Die beiden Häuser sind leicht zueinander gedreht, im vorderen Bereich entstand an der Straße ein kleiner Vorplatz. An der südwestlichen Grundstücksgrenze und im nördlichen Bereich sind für die beiden Gebäude insgesamt 13 Stellplätze geschaffen worden. Die Wohnanlage ist durchgehend barrierefrei gestaltet. Auf die beiden Gebäude verteilen sich insgesamt zwölf 1- und 2-Zimmer-Wohnungen sowie eine 3-Zimmer-Wohnung. Sie sind zu zwei Seiten hin ausgerichtet. Die Loggien sind jeweils vom Nachbargebäude weg orientiert. Der Entwurf des Architekturbüros AV1 aus Kaiserslautern überzeugte unter anderem dadurch, dass die Erschließungsflächen im Gebäude möglichst geringgehalten und somit die Wohnflächen entsprechend großzügig gestaltet werden konnten.

Die Mietkosten der zwölf Wohnungen sind gestaffelt nach Dauer der Mietzeit, beginnend bei 5,10 Euro netto kalt pro Quadratmeter, nach drei Jahren liegen die Mietkosten bei 6,50 Euro netto kalt pro Quadratmeter. Damit liegen die Mietpreise zwar über dem örtlichen Durchschnitt, allerdings weisen die Wohnungen einen vergleichsweise hohen Wohnstandard auf. Die Mieter müssen Anteile der Genossenschaft erwerben, die 40 Prozent der Erstellungskosten (ca. 2.350 Euro pro Quadratmeter) der zu beziehenden Wohnung entsprechen. Neben den Wohneinheiten entstand eine gewerbliche Einheit, die von der Koordinierungsstelle des Caritasverbands Westeifel e. V. angemietet wurde. Ein Gemeinschaftsraum in der Wohnanlage fördert das Zusammenleben. Das Haus wurde in konventioneller Bauweise als Niedrigenergiehaus in der Kategorie KfW Effizienzhaus 55 gebaut.

Finanzierung/Förderung
Für das Vorhaben haben die Gemeinde und die Genossenschaft mehrere Förderungen erhalten:
Die Vorbereitung des Vorhabens unterstützte ein externer Dienstleister über die Moderationsförderung für Initiativen von Bewohnergenossenschaften des Ministeriums der Finanzen Rheinland-Pfalz. Im Rahmen des Wettbewerbs „Mehr Mitte bitte!“ des Gemeinde- und Städtebundes mit dem Finanzministerium wurde in Kooperation mit der Architektenkammer die Durchführung des Architektenwettbewerbs finanziert und die Beauftragung des Siegerentwurfs unterstützt. Für einen Teil der Wohnungen wurde ein Zuschuss des Landes über die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) (200.000 Euro) im Rahmen des Landesprogramms „Wohnen in Orts- und Stadtkernen“ in Anspruch genommen, hierbei ergaben sich Vorgaben für Grundrissgrößen und Mietpreise. Im Rahmen des Programms „Energieeffizient Bauen“ wurde ein KfW-Kredit für den Bau eines KfW-Effizienzhauses 55 aufgenommen. Die Baukosten (Kostengruppen 300 und 400) betrugen 1.639 Euro netto pro Quadratmeter.

Übertragbarkeit
Das Projekt „Florinshof“ ist ein gutes Beispiel für Eigeninitiative im ländlichen Raum: Die Gemeinde Gillenfeld implementierte mit der Genossenschaft am Pulvermaar einen Akteur, der gezielt altersgerechten Wohnraum errichtet und mit weiteren Angeboten die ältere Bevölkerung unterstützen kann. Hierfür wurde eine Brachfläche in der Ortsmitte reaktiviert. Mit dem Projekt
„Florinshof“ schuf die Genossenschaft nicht nur ein Wohnangebot, sondern bietet mit dem Gemeinschaftsraum zudem Möglichkeiten für soziale Kontakte. Mit den Räumlichkeiten für eine
Gewerbeeinheit ermöglichte sie ferner die Ansiedlung der Koordinierungsstelle des Caritasverbands Westeifel e. V. Neben der durchgehenden Barrierefreiheit in der Anlage und den Außenbereichen sind die hohen Ansprüche an die energetische und architektonische Ausgestaltung des Neubaus hervorzuheben.